Montag, 28. Mai 2007

Pfingsten

Es gälte einiges zu berichten über das sehr verlängerte Pfingstwochenende. Meine Tage oszillierten zwischen gänzlich unbeschleunigt und hocheffizient. Der Rückblick ist versöhnlich.

Freitag und Samstag sahen mich im Zügeleinsatz für meine Schwester: Vom fünften Stock (ohne Lift) runter, durch die Stadt, und in den zweiten Stock (mit Lift, Gott sei Dank) wieder hoch, dazu Heimwerker- und Chauffeurdienste. Alles gut gelaufen, so weit ich sehe (bis auf ein verspiegeltes Möbel, das Hermes, dem Seelengeleiter, geopfert wurde). In meinen Handgelenken ziehts noch ein bisschen, aber sonst hat sich wieder mal bewährt, dass intensive körperliche Arbeit die beste Therapie für Rücken- und Nackenleiden aller Art ist.

Der Sonntag erholsam im Greyerzerland, der Montag ausgefüllt mit intensiver Arbeit an allem Möglichen, abgerundet mit Farfalle al pesto rosso und einem Glas Wein. Jetzt noch ein Suriza und dann ins Bett.

Sonntag, 20. Mai 2007

Der Hauptaktionär

Seit meinem letzten Griechenlandurlaub stand Βασικός Μέτοχοςvon Petros Markaris etwas furchteinflössend im Bücherregal. Ich hatte noch nie ein so dickes Buch auf Griechisch gelesen und deshalb einen gewissen Respekt, der sich aber verflüchtigte, kaum hatte ich zu lesen begonnen: ein paar Seiten nur, und ich war drin – und dies nicht nur, weil es sich um einen Krimi handelte (womit sich meine alte Strategie erneut bewährt hätte, in fremden Sprachen bevorzugt Krimis zu lesen, damit mich der Stoff ans Buch fesselt). Markaris legte fulminant los: Unmittelbar nach ihrem glanzvoll bestandenen juristischen Doktorexamen zum Thema „Terrorismus“ wird Kommissar Charitos’ Tochter Katerina zusammen mit ihrem Freund Fanis und ein paar hundert weiteren Passagieren auf der Ferienreise nach Kreta Opfer einer Schiffsentführung. Mit dem ersten besten Flug nach Chania geeilt, tigert Charitos in der zweiten Reihe des polizeilichen Einsatzzentrums herum, nur um dort auch nicht mehr zu erfahren, als das restliche Land in den Fernsehnachrichten. Und natürlich schlägt gleichzeitig in Athen ein seltsamer Mörder zu: In einer der vergammelnden olympischen Anlagen wird ein schwuler Gelegenheitsschauspieler gefunden, bekannt als Hauptdarsteller eines Mobiltelefonie-Werbespots, aus nächster Nähe erschossen mit einer museumsreifen Waffe. Charitos wird nach Athen zurückgeschickt, und Markaris zeigt sich im Hin und Her der Gedanken und der Aufmerksamkeit seines Protagonisten auf der Höhe seines Handwerks. (Ungefähr hier musste ich beginnen, mich mit Verstand und Gewalt zum Schlafen zu zwingen.)

Sowohl die Antiterroreinheiten in Kreta als auch Charitos mit seinen Helfern in Athen fischen im Trüben, bis sich ihre Gegner auf beiden Fronten mit spektakulär-verstörenden Ankündigungen erstmals zu Wort melden. Aber währenddem die Polizei zur Auflösung von Geiselnahmen gewisse Methoden im Repertoire hat, muss Charitos weiter improvisieren. Zum Glück hat er sein Bauchgefühl und gute Verbündete, darunter Objekte einer sehr ambivalenten Zuneigung: sein Chef Gikas und der Kommunist Zisis. Charitos ist nicht nur älter, sondern auch abgeklärter, ruhiger und grosszügiger geworden.

Nichts Neues ist, dass ein guter Krimi die Enthüllung eines Verbrechens nur zum Vorwand nimmt für viel weiter gehende Enthüllungen zu Recht, Gesellschaft und Politik. Markaris verknüpft seine Fäden virtuos und konsequent zu einem Panorama der neueren griechischen und europäischen Geschichte und stellt im Vorbeigehen und scheinbar ohne jeden Aufwand die Absurdität des Fernsehens und der Politik und anderes bloss. Und natürlich ist auch dieser Charitos-Krimi eine Hass-Liebes-Erklärung des Autors an Athen, das während der olympischen Spiele sein Potential einer absolut lebenswerten Stadt angedeutet hat, aber seither wieder in den alten Trott zurückzufallen droht. Die Beschreibung von Charitos’ nächtlichem Spaziergang in der Aiolou-Strasse zeigt uns einen Kommissar, der von der Schönheit seiner Stadt – nach so vielen Jahren der Abstumpfung – überrascht und überwältigt ist. Man hätte ihm diese Erfahrung schon viel früher gewünscht und hofft, dass er sich ihrer erinnern wird.


Technisches: Βασικός Μέτοχος ist eben im Diogenes-Verlag auf Deutsch herausgekommen unter dem Titel „Der Grossaktionär“ (ich hätte eher „Hauptaktionär“ gesagt, aber wurde nicht konsultiert), ISBN-10 3 257 06574 4. Die Website von Diogenes ist nicht gerade benutzerfreundlich, deshalb hier der Link zu Amazon.

Samstag, 19. Mai 2007

Grosse Frage, falsch gestellt

Lange nicht mehr gebloggt, nicht aus Mangel an Stoff, eher aus Mangel an Musse. Da braucht es schweres Geschütz, wie es die Weltwoche auffährt, um mich doch noch an die Tastatur zu treiben; genauer: Philipp Guts letztwöchigen journalistischen Amoklauf. Unter dem Bluemete-Trögli-Titel „Geborgenheit und Herzenswärme“ startet er furios mit Eva Herman – klar, es geht um das Ideal der Vollzeit-Hausfrau. Weit gefehlt: In der Mitte des mit freihändig zitierten Statistiken und Umfragen gespickten Artikels wird der entscheidende Streich geführt, und zwar gegen die Fremdbetreuung, sprich die von links und liberal immer überzeugter geförderten Kinderkrippen. Mit Erstaunen nimmt man zur Kenntnis, dass sogar kinderbetreuende Väter in Kauf genommen werden, wenn nur unter allen Umständen die Krippen vermieden werden können. Über diese brüske Wendung teils staunend, teils schmunzelnd, wird der geneigte Leser nochmals kalt geduscht: Das Intermezzo war wohl nur eine captatio benevolentiae, die Schlussaussage lässt keine Unklarheit mehr zu: Die bürgerliche Kernfamilie ist des Pudels Kern.

Ob solchem Achterbahnjournalismus streckt auch der Produktionschef die Waffen (oder wer immer das Editorial schreibt). Verstehen tut ers nicht mehr, aber dass er etwas ganz grosses vor sich hat, das merkt er noch in seiner Verwirrung, und greift tief in den Topf mit dem Pathos:

Rechtzeitig zum Muttertag ist eine der grossen Fragen zu lancieren: Warum eigentlich drängen ungezählte Frauen trotz Kindern und Familie wieder in den Arbeitsmarkt? Was eigentlich ist so grossartig an einem Alibi-Bürojob auf Kosten von „quality time“ mit der eigenen Familie?

Schade. So nahe dran – und so grandios knapp daneben. Die Frage, die wirklich endlich einmal zu lancieren wäre, lautet ganz ähnlich, aber leider trotzdem ganz anders:

Warum eigentlich drängen ungezählte Männer trotz Kindern und Familie in den Arbeitsmarkt? Was eigentlich ist so grossartig an einem Bürojob auf Kosten von „quality time“ mit der eigenen Familie?

Sonntag, 6. Mai 2007

Stadtspaziergänge (1)

Ob der Post-Titel so treffend ist, wo doch in Fribourg der Stadtspaziergang schnell und unversehens zum Landspaziergang wird, bin ich mir noch am überlegen. Für heute kann ich ihn stehen lassen. Mein Weg führt zunächst ins Vignettaz-Quartier. Der Sonntag ist mehrheitlich sonnig und überraschend warm; ein paar verstreute Regenspritzer ganz zu Beginn erinnern an die vergangenen feuchten Tage. Die Route de Vignettaz und dann die Route du Fort-Saint-Jacques sind gartengesäumt; Vögel zwitschern, Autos aus Bern, Luzern, Genf zeugen von Sonntagsbesuchen. Sachte an Höhe gewinnend erinnere ich mich an eine Wanderung, die bald sechs Jahre zurückliegt (im Sommer meiner Lizarbeit), von Ste-Apolline an der Glâne zur Hauptstrasse hoch, dann über einen Lehnenweg im Wald Richtung Pérolles. Ob ich via Cormanon irgendwie auf diesen Waldweg hinunterfinde? Obwohl Kartenfreak, bin ich heute ohne jegliches Hilfsmittel gestartet; es gilt zu improvisieren. Der Weg nach Beaumont ist mir bekannt. In Cormanon, dem neuen Quartier für die gehobene Mittelschicht (dies jedenfalls die unterschwellige Aussage der Informationstafeln), wird unablässig weiter gebaut. Den Eingang ins Quartier finde ich auch ohne Mühe und schlängle mich zwischen den Reiheneinfamilienhäusern mit Bergblick durch. Auf der Route de la Glâne angekommen, werde ich gewahr, dass es irgendwie die Bahnlinie zu queren gilt. Nach einigem Irren im Quartier scheint der Umweg über die Strassenüberführung unausweichlich. (Erst der Blick zu Hause auf die Karte enthüllt mir die Abkürzung, die ich vergeblich gesucht hatte.) Durch ein ausgedehntes, von der Bahnlinie durchschnittenes Einfamilienhausquartier erreiche ich den Einstieg in den Bois des Morts. Ein schmaler Pfad führt ab- und aufwärts dem Hang entlang; zur Linken weiter oben ist die Bahnlinie zu erkennen, zur Rechten öffnet sich gelegentlich grandios der Blick auf den Fribourger Grand Canyon, die steilen Felswände der Saane und des Pérolles-See, auf den Pont de Pérolles sowie auf die Talebene, in der ich ein einsames Haus ausmache. Die Waldquerung dauert nur einige Minuten, dann erreiche ich die Villa Beausite (die auf der Landeskarte übrigens altmodischerweise und politisch völlig unkorrekt als „asile des vieillards“ bezeichnet wird). Von dort brauche ich nur noch wenige Minuten, bis ich via Jardins de Pérolles wieder zu Hause bin.


Technisches: Dauer des Spaziergangs etwa eine Stunde, für kartenbewehrte Wanderer wohl weniger. Stadtpläne (für Cormanon nicht ganz aktuell) gibt es unter http://www.plandeville.ch/ville-fribourg sowie unter http://www.fr.ch/ville-fribourg/att/plans_fribourg_et_region.htm .

Freitag, 4. Mai 2007

Hofberichterstattung

Dies gelesen (zum 1. Mai im Editorial der aktuellen Weltwoche):

„Zürichs sozialdemokratischer Stadtpräsident Elmar Ledergerber ereiferte sich im Zusammenhang mit den jüngsten SP-Wahlschlappen an seiner 1.-Mai-Rede über die Medien, und vor allem ereiferte er sich über die angeblich «SVP-dominierte Weltwoche und ihren Köppel, der gescheiter in Deutschland geblieben wäre». [...] Trotzdem verwundert es ein bisschen, wenn ein gewählter, von Steuerzahlern finanzierter Stadtpräsident wie ein Steinewerfer auf die Barrikaden steigt, um ein Blatt anzugreifen, das ihn kürzlich gelobt hat (Weltwoche Nr. 6.07).“

Und das gedacht:

Seit wann so dünnhäutig, lieber Roger Köppel? Alles andere wäre Filz. Zum Glück kann sich die Weltwoche prominente Politiker nicht mit einem vorsichtig positiven Artikel kaufen.